Süddeutsche Zeitung
Freitag, 11. April 1986

Genialer Pianist und glühender Patriot
János Darvas porträtiert Ignacy Jan Paderewski in West 3

Paderewski

Saint-Saëns sagte mal von ihm: "Er ist ein Genie, und per Zufall spielt er Klavier." Er war kein Wunderkind, und noch seine Lehrer am Konservatorium in Warschau glaubten dem zwölf- bis 18jährigen immer wieder Talentlosigkeit am Klavier testieren zu sollen. Erst der damals berühmte Klavierpädagoge Leschetitzky in Wien brachte den inzwischen 24jährigen entscheidend voran. Paderewski: "Ich hatte geglaubt, bereits tanzen zu können - ohne jemals laufen gelernt zu haben!"

Ignacy Jan Paderewski (1860 bis 1941) war wohl nicht nur der erfolgreichste Klaviervirtuose seiner Zeit. Er war ein Phänomen an Ausstrahlung und Charisma; reihenweise sollen die Damen während seiner und nach seinen Konzerten in Ohnmacht gefallen sein, und zwar nicht nur die, welche was von Musik verstanden. Rückwärts gedacht erinnert das an Franz Liszt, aber auch die "Beatles", "Rolling Stones" und ihre aktuelleren Ausgaben mögen einem dazu einfallen. Seinen Durchbruch hatte Paderewski 1888 mit einem Konzert in Paris, und von da an gab's kein Halten mehr. Reich wurde er in den USA, wo er 1895/96 für eine Tournee mit 92 Konzerten (immerhin jeden Abend in einer anderen Stadt mit einem dreistündigen Soloprogramm) sage und schreibe 280 000 Dollar bekam - für jene Zeit eine gigantische Summe. Er gab's mit vollen Händen wieder aus, war berühmt für seine Freigiebigkeit.

Der Film von János Darvas ist ein fesselndes, biographisches Porträt, nebenbei auch lebendiger Geschichtsunterricht. Dergleichen ist ja nicht nur eine Fleißarbeit - des recht mühseligen Zusammentragens von Archivmaterial -, es will auch filmisch zusammengeführt werden zur Information und eigenen Form. Der Titel "Ein Leben für Polen" ist vielleicht etwas übertrieben, Paderewski hat sehr kräftig sein eigenes Leben geführt, weit von der Heimat entfernt. Aber er hat sein internationales Renommee, sein Geld, seine phantastischen Beziehungen dann nach 1918 - wie nur je ein polnischer Patriot - in die Waagschale geworfen, um eine freie Republik Polen zu ermöglichen. Für eine Übergangszeit war er da ihr erster Ministerpräsident und Außenminister. Ließe sich, mit einem natürlich hinkenden Vergleich, denken, daß Alfred Brendel als Bundespräsident für Österreich kandidiert?

(Samstag, 12. April, West 3, 21.30-22.15 Uhr.)

Hans Bachmüller


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